27.06.2011

Gewaltfreie Kommunikation - Katja von Gizycki


Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine Kommunikations-Methode, welche von Dr. Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde. Mit ihr können Sie Ihre Beziehung zu sich selbst, sowie zu anderen Menschen erfüllender gestalten und Sie können mit ihr schwierige Situationen und Konflikte besser klären und lösen. Die GFK kann sowohl beim Kommunizieren im Alltag als auch beim friedlichen Lösen von Konflikten im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein.

Im Alltag bewegen wir uns meist auf der Ebene der Strategien, über die wir schnell ins Streiten kommen. GFK versteht sich nicht als Technik, andere Menschen zu manipulieren oder unter Druck zu setzen, um sie zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Sie ist viel mehr eine Grundhaltung, bei der es darum geht, so im Miteinander umzugehen, dass Gefühle und Bedürfnisse Raum haben und wir in Verbindung miteinander kommen. Stehen Bedürfnisse im Zentrum unserer Aufmerksamkeit, können von dieser Ebene aus ganz neue Lösungen und Sichtweisen gefunden werden.

Weitere Informationen zur GfK



Empathie/Mitgefühl ist der Schlüssel, um sich mit den eigenen Bedürfnissen, sowie den Bedürfnissen anderer zu verbinden. Um diesen nährenden und bereichernden Kontakt im Miteinander geht es in der GFK.
Dabei steht dem Mitgefühl für uns und andere oft unser Denken im Weg, da wir mit ihm nicht ins Fühlen von Bedürfnissen kommen. Unser Denken besteht mehr aus Urteilen, Verurteilen, Beschuldigen, Argumentieren, Analysieren, Rechthaben, etc., womit wir im Kopf hängen bleiben - anstatt zu fühlen.
Indem wir gewohnte Gedankenmuster auflösen, hilft uns dies, nicht automatisch unsere eingefahrenen negativen Verhaltensweisen abzuspulen - wodurch wir dann genau die alt bekannten nicht lebensbereichernden Strukturen wiedererzeugen.
Um eine neue und bereichernde innere Sturkture zu schaffen, hat  Marshall Rosenberg "4 Schritte" entwickelt. Es lohnt sich, die 4 Schritte erst einmal für sich selbst zu trainieren. Z.B. ist es sehr hilfreich nach einer schwierigen Situation, sich diese später noch mal mit Hilfe der 4 Schritte anzusehen. Dies führt zu neuen Sichtweisen und trainiert, mit Gefühlen und Bedürfnissen in Verbindung zu kommen. Im lebendigen Miteinander werden die 4 Schritte nicht starr angewendet. Sie dienen dort mehr als hilfreiche gedankliche Stütze.

DIE 4 SCHRITTE DER GEWALTFREIEN KOMMUNIKATION

Die wichtigsten Werkzeuge der Gewaltfreien Kommunikation sind die folgenden 4 Schritte:
„1 Beobachtung - ohne zu urteilen“, „2 Gefühle-ohne zu interpretieren“, „3 Bedürfnisse - bereichern unser Leben
“ und „4 Bitten-ohne zu Fordern“.
Sie werden in zwei Richtungen angewendet. Einmal für sich selber (Selbsteinfühlung) und einmal für jemand anderen (Einfühlung in den anderen). Sie helfen Ihnen, ein sprachliches Bewusstsein zu bekommen, für das, was in Ihnen und anderen lebendig ist. In der praktischen und alltäglichen Anwendung im Gespräch mit sich selber oder mit anderen geht es darum, sie nicht starr in dieser Reihenfolge abzuarbeiten, sondern sie als gedankliche Stütze zu nehmen, für mehr Mitgefühl und Verbundenheit!
Die 4 Schritte - Selbsteinfühlung: 
Beobachtung:   Wenn ich erlebe/höre/mich erinnere, ...
 
Gefühl:              ... bin ich ...,

Bedürfnis:          ..., weil ich  ... brauche/mein Bedürfnis nach ... erfüllt ist. 
Bitte:                 ... Daher bitte ich mich/dich ...?

Die 4 Schritte - Einfühlung in den anderen:
Beobachtung:   Wenn du erlebst/hörst/dich erinnerst, ...

Gefühl:              ... bist du vielleicht ...

Bedürfnis:          ..., weil du ... brachst/dein Bedürfnis nach ... erfüllt ist.
 
Bitte:                 ... Und daher bittest du mich ... ?
                        ...  Daher würdest du gerne ...?

  

1. BEOBACHTUNG - OHNE ZU DEUTEN

Nachdem Sie innehalten, ist die Beobachtung der erste wichtige Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation, um mit der Klärung einer Situation zu beginnen. Dabei schauen wir uns die Situation noch einmal so an, als würden wir durch eine Filmkamera sehen.Filmkamera
Dabei schauen Sie sich die Situation noch einmal so an, als würden Sie durch eine Filmkamera sehen. Deutungen und Beurteilungen halten Sie dabei raus. Auch Verallgemeinerungen wie „jedes Mal“, „immer“, „ständig“, „mal wieder“, „nie“ oder Übertreibungen wie „zum tausendstens Mal“ werden weggelassen, beim Formulieren einer Beobachtung. Deutungen, Beurteilungen, Verallgemeinerungen und Übertreibungen werden vom Hörer meistens abgewehrt, da dessen Bedürfnisse sprachlich darin nicht mitberücksichtigt werden. Zudem nähren sie negativen Erwartungen, was zu sich-selbst-erfüllenden Prophezeiungen führt.
Indem Sie bewusst eine Beobachtung formulieren, hilft Ihnen dies, den Ort des Rechthabens, des Schuldnachweisens und des Verurteilens zu verlassen und Ihren Blick nach innen zu richten, auf das, was in Ihnen selber und im anderen lebendig ist.

Selbsteinfühlung: Wenn ich erlebe/höre/mich erinnere ...
Einfühlung in den anderen:Wenn du erlebst/hörst/dich erinnerst ...

2. GEFÜHLE - UNSER SINNVOLLES LEITSYSTEM

Gesicht zufriedenDer zweite Schritt ist, Kontakt mit Ihren Gefühlen aufzunehmen. Gefühle sind sehr sinnvoll, da sie auf erfüllte Bedürfnisse (angenehme Gefühle) und nicht erfüllte Bedürfnisse (unangenehme Gefühle) aufmerksam machen! unzufrieden Gesicht



In der Kindheit haben Sie vielleicht gelernt, Ihre Gefühle wegzudrücken, so dass Sie die Verbindung zu vielen Bedürfnissen verloren haben. Am Anfang braucht es Mut, alle Gefühle zu spüren und anzunehmen, besonders sehr unangenehme, wie z.B. „voll Schmerz“ oder „einsam“. Je mehr Sie jedoch Gefühle zulassen und bewusst in sie hineinspüren, desto weniger bedrohlich wirken sie. Nehmen Sie z.B. das Gefühl „voll Schmerz“ an und akzeptieren, dass es da ist, dann erleben Sie es noch einmal in seiner ganzen Größe. Gehen Sie durch dieses Gefühl hindurch, ohne es wegzudrücken, lässt nach einer Weile die Spannung nach und Sie können mit dem dahinter liegenden unerfüllten Bedürfnis in Verbindung kommen, um dann aktiv für dessen Erfüllung zu sorgen.
Gefühle drücken sich als Körperempfindungen aus, wie Ziehen, Stechen, Schwere, Enge, Druck, Kälte, Kribbeln, Weite, Wärme, Prickeln, etc..
Selbsteinfühlung: ... bin ich ...
Einfühlung in den anderen:... bist du ...

Der Unterschied zwischen Gefühlen und Pseudogefühlen
Viele Sätze enthalten die Worte „Gefühl“ oder „fühlen“. Z.B. „Ich habe das Gefühl, angegriffen zu werden!“ oder „Ich habe das Gefühl, dass der andere egoistisch ist!“. Damit teilen Sie jedoch Ihre Gedanken in Form von Vermutungen oder Urteilen mit. Sie beschreiben damit nicht Ihre Gefühle! Wenn Sie in Pseudogefühlen denken und sprechen, können Sie beobachten, dass schnell weitere Unterstellungen oder Urteile folgen. Es ist sinnvoll, das Denken und Sprechen in Pseudogefühlen langfristig zu ersetzen durch eine Sprache, die in Gefühlen und Bedürfnissen kommuniziert. Dies fördert Mitgefühl und stärkt Selbstwert und Selbstvertrauen.
Marshall B. Rosenberg empfiehlt, zwischen moralischen Bewertungen oder Urteilen und dem Leben dienenden Bewertungen  zu unterscheiden. Er erpfiehlt, Handlungen, Gehörtes und Gesprochenes nur danach zu bewerten, ob sie Bedürfnisse erfüllen oder nicht erfüllen, also dem Leben dienen oder nicht dienen.

3. BEDÜRFNISSE - BEREICHERN UNSER LEBEN

Im dritten Schritt verbinden Sie sich mit Ihren Bedürfnissen. Bedürfnisse sind immer positiv! Sie erhalten unser Leben und bereichern es. Sie sind die Motive für all Ihre Handlungen. Alles was Sie tun ist sozusagen der gelungene oder weniger gelungene Versuch, Ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Geschenk
Zu vielen Bedürfnissen fehlt die Verbindung, da sie hinter negative Glaubensmuster weggeschlossen sind. Es braucht hier eine bewusste Selbstermächtigung, damit diese Bedürfnisse sich zugestanden werden können, um sie dann aktiv zu erfüllen.
Sind Sie sich Ihrer Bedürfnisse bewusst, können Sie viele Strategien finden, damit Ihre Bedürfnisse und die anderer erfüllt werden. Während Bedürfnisse unkonkret sind, sind Strategien ganz konkret und gebunden an Person, Ort und Zeit. Strategien für das Bedürfnis nach Ruhe sind z.B.: Schlafen im Bett, Buch lesen, etc..
Fragen Sie sich, wenn Sie ein Bedürfnis herausgefunden haben, ob es im Grunde einem anderen Bedürfnis dient und daher eher eine Strategie ist!

Selbsteinfühlung: ... weil ich ... brauche/mein Bedürfnis nach ... erfüllt ist.
Einfühlung in den anderen:... weil du ... brauchst/dein Bedürfnis nach ... erfüllt ist.

4. BITTE - OHNE ZU FORDERN

Im vierten Schritt formulieren wir eine Bitte an uns selber oder an jemand anderen. Wir bitten uns selber oder jemand anderen um etwas ganz Konkretes und Machbares, was sich auf das Hier und Jetzt bezieht. Wir benennen dabei Beobachtung, echte Gefühle und Bedürfnisse. In dieser Weise formulierte Bitten lenken die Aufmerksamkeit weg von Schuld oder Kritik hin zu unseren positiven Bedürfnissen!
Dadurch wächst die Wahrscheinlichkeit, dass diese überhaupt wahrgenommen und somit erfüllt werden können.
Flügelherz
Weniger wirksame Bitten:
Formulierungen wie „Bitte sei nicht so laut “, „Bitte lass nicht deine Jacke im Flur liegen“ oder „Bitte rede mir nicht dazwischen“ sind wenig wirksam. Formulieren Sie Bitten so konkret und positiv wie möglich!
Probieren Sie Bitten aus wie:
„Wenn du direkt neben mir so laut sprichst, bin ich ganz verspannt, weil ich Ruhe und Konzentration brauche. Bitte spreche etwas leiser.“
„Wenn ich sehe, dass deine Jacke im Flur liegt, bin ich frustriert, weil ich Unterstützung im Haushalt brauche. Bitte häng deine Jacke selber auf.“
„Wenn ich erlebe, dass du mir dazwischen redest zum dritten Mal, bin ich ärgerlich, weil ich Raum mich mitzuteilen und Achtung füreinander brauche. Bitte lass mich ausreden.“
Gewaltfreien Kommunikation geht davon aus, dass Menschen grundsätzlich gerne etwas füreinander bereit sind zu tun, es sei denn, bei ihnen ist gerade ein Bedürfnisse unerfüllt und drängt nach Erfüllung. Wenn Sie von sich selber und von anderen, nicht erwarten, gegen den eigenen Willen etwas zu tun, sondern nur mit Freude und Freiwilligkeit im Herzen, dann können Sie die beglückende Erfahrung machen, dass das Verhandeln über Geben und Nehmen etwas wirklich Bereicherndes ist, was nachhaltig Freude schenkt und zu einem erfüllten Leben beiträgt. Bitten Sie daher, ohne zu fordern, indem Sie sich und anderen auch ein „Nein“ zugestehen. Erhalten Sie auf Ihre Bitten ein „Nein“, bleiben Sie dennoch wohlwollend und versuchen Sie hinter dem „Nein“ das unerfüllte positive Bedürfnis zu hören, welches erfüllt werden möchte.

Von dieser Ebene aus, wo alle Bedürfnisse wahrgenommen und akzeptiert werden, können Sie dann mit anderen Menschen Strategien besser verhandeln, um Ihre Bedürfnisse und die der anderen zu erfüllen.
Selbsteinfühlung: ... Daher bitte ich mich/dich, ....?
Einfühlung in den anderen:... Daher bittest du mich, ..../würdest du gerne ...?

ÄRGER ALS WECKRUF

Ärger ist in der GFK ein sehr zentrales Thema, wobei es darum geht, Ärger nicht wegzudrücken, sondern anzunehmen und vollständig auszudrücken. Ärger wird in der GFK, ähnlich wie Wut, Empörung, Schuld und Scham, als Folge unseres moralischen-, verurteilenden- und Schuld zuweisenden Denkens gesehen, was die Welt in Kategorien von „richtig“ und „falsch“ einteilt und sprachlich wenig Wahlfreiheit bietet. Ärger drückt sich sprachlich in Schuldzuweisungen, Vorwürfen, Unterstellungen, Drohungen oder Strafanweisungen aus. Zusätzlich wird Ärger von gedanklichen Formulierungen begleitet wie: „Dieses oder jenes sollte und dürfe man nicht tun oder man müsste etwas tun.“.

Marshall B. Rosenberg empfiehlt, Ärger als Weckruf zu nehmen! Jeder Ärger enthält einen bereichernden Kern, da hinter ihm immer unerfüllte Bedürfnisse liegen, die wahrgenommen und erfüllt werden möchten.

VERANTWORTUNG FÜR GEDANKENUND GEFÜHLE ÜBERNEHMEN

GFK lädt Sie ein, Ihre Gedanken genau anzuschauen. Sind Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit bei Ihren lebensbereichernden Bedürfnissen oder in moralischen-, verurteilenden- und Schuld zuweisendem Denken? Marshall B. Rosenberg drückt es auch so aus: In jedem Moment haben wir das Potential dem Leben zu dienen oder Leben zu zerstören!
Im moralischen-, verurteilenden- und Schuld zuweisendem Denken wird die Verantwortung für Gefühle an andere Menschen oder die Umstände abgegeben, was sich in Formulierungen ausdrückt wie z.B.: „Ich bin traurig, weil du ...!“, „Ich bin frustriert, wegen der Umstände...!“ „Ich ärgere mich über dich, weil du ...!“, „Du bist schuld, dass ich mich ... fühle!“oder auch „Ich bin froh, weil du ...!“. Andere können jedoch nur Auslöser sein für Gefühle, die Ursache/Grund sind immer lebensbereichernde Bedürfnisse!

Die GFK bietet Ihnen hier eine sprachliche Änderung an, um bewusst Verantwortung für Gedanken und Gefühle zu übernehmen: „Ich bin traurig, weil mein Bedürfnis nach Nähe unerfüllt ist!“, „Ich bin ärgerlich, weil ich Mitberücksichtigung brauche.“ oder „Ich bin froh, weil mein Bedürfnis nach Entwicklung erfüllt ist!“

DIE 4 OHREN ODER 4 REAKTIONSWEISEN

GFK ermutigt Sie, besonders bei negativen Äußerungen, jeder Zeit frei zu wählen, wie Sie auf Gehörtes/Erlebtes, reagieren. Sie können in vier verschiedenen Weisen reagieren, indem Sie:
1. Andere beschuldigen - nicht empathisch
Sie nehmen das Gehörte/Erlebte persönlich, indem Sie Vorwürfe, Unterstellungen oder Kritik, etc. raushören und dabei meinen, selber im Recht zu sein. Wahrscheinlich werden Sie Ärger, Empörung, Wut oder Hass, etc. erleben.
2. Sich selber beschuldigen - nicht empathischSie nehmen das Gehörte/Erlebte persönlich, indem Sie Vorwürfe, Unterstellungen oder Kritik, etc. raushören und dem anderen Recht  darin geben. Dies geht auf Kosten des Selbstwertes und Selbstvertrauens und führt in Richtung Scham, Verbitterung und Depression.
3.Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen - empathisch
Sie lenken Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Dies stärkt Selbstvertrauen und Selbstwert.
4.Die Gefühle und Bedürfnissse des anderen wahrnehmen - empathisch
Sie lenken Ihre Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen. Dies fördert Mitgefühl und Verstehen für den anderen.

 Katja von Gizycki
Kommunikationstrainerin, 
Grafikerin, Künstlerin


Seit 2004 arbeite ich in Berlin & Brandenburg als Kommunikationstrainerin. Ich biete regelmäßig Kurse und Übungsgruppen, sowie persönliche Beratungsgespräche zur "Gewaltfreien Kommunikation" an.


Ausgebildet im forum gewaltfreie kommunikation berlin.




Quelle: http://www.erfuellende-kommunikation.de

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